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Presse

"Potsdamer Neueste Nachrichten",  Mittwoch, 29.12.2010

Heimat, das ist lange Geschichte

Ob er die Ukraine vermisse, wird der Maler Viktor Repin gefragt, seine Heimat. Repins Ölgemälde hängen zusammen mit Werken von 15 anderen jüdischstämmigen Künstlern in der Villa Grenzenlos. Sie alle haben seit 1991 in Brandenburg eine neue Heimat gefunden, wie die 6300 jüdischen Migranten, die auf diese Weise aus der ehemaligen Sowjetunion ins Land gekommen sind. Tatsächlich leben heute nur noch 2300 in Brandenburg, meist in jüdischen Gemeinden organisiert.

„Ah, Heimat“, seufzt Repin und sucht nach Worten, „das ist ... lange Geschichte.“

Die Ölgemälde Repins gehören zu den stilistisch eigenständigeren Werken der Ausstellung. Seine Farbwahl ist gewagt, seine malerische Heimat ist die Abstraktion, zu der er Ausschnitte aus Jan Vermeer mit der fotorealistischen Kopie eines Pin-Ups von Marilyn Monroe mixt. Aufgewühlt, unstet.

Die Kunstausstellung in der nach einem Jahr Dornröschenschlaf wieder erwachten Villa Grenzenlos in der Babelsberger Sauerbruchstraße soll ganz bewusst an die früheren jüdischen Eigentümer erinnern, an die Familie Goldschmidt, die nach 1933 zwangsenteignet wurde.

Tätige Integration durch Kunst haben sich da die Veranstalter vorgenommen. Verantwortlich für das Projekt sind eine Reihe von Vereinen und Institutionen, so die RAA, die Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule und der Verein für Weltoffenheit und Menschenwürde, der mit dieser Ausstellung seine Arbeit in der ehemaligen Stadtteilvolkshochschule übernimmt. Der Besuch von Schulklassen ist erwünscht.

Die verwinkelten Räume im Haus sind nur provisorisch hergerichtet. Unter der weißen Wandbespannung sollen sich brusthohe Sprelacartwände befinden. Man sieht die Mühe, die man sich zur Vorbereitung gegeben hat. In einer Vitrine sind Ost-Kittelschürzen ausgestellt, die beim Aufräumen entdeckt wurden.

Die Ölgemälde von Ilja Kleiner, ausgestellt im Untergeschoss, offenbaren den stärksten Bezug zum jüdischen Glauben. Auf seiner traditionellen „jüdischen Hochzeit“ ist die verschleierte Braut splitternackt. Neben einem wirren Stadtkaleidoskop von Moskau hängt nun auch eine Sicht von Berlin. Kleiner lebt als freischaffender Künstler seit 2003 in Potsdam. Sein Berlin ist laut, zerrissen, ergibt keinen rechten Sinn.

Sehenswert die Puppen und Miniaturen von Larissa Tarasanova, die davon träumt, eine Puppenbühne für Erwachsene zu eröffnen. Ihre schwarzweißen Miniaturen, die sie auf die beiden Seiten alter Schallplatten klebt, sind verschroben witzig und zeichnerisch gekonnt reduziert.

Eine ganz eigene Bildersprache besitzt Alexander Shteyngart, dessen Ex Libris mit mythologischen Motiven in Holzdrucktechnik zwar im Format klein, im Ausdruck aber ungeheuer kunstvoll sind.

Larysa Menshykovas Aquarelle sind lebhafte Karikaturen sozialen Lebens. Die Bilder quellen über vor Menschen. Die 35-Jährige aus der Ukraine hat auch deutsche Jugendliche beobachtet: ein wenig Übergewicht, Bauch frei, Kampfhund, Zigarette und Tätowierung.

Mit 31 Jahren ist Uljana Scheremetjewa eine der Jüngsten, die sich hier beteiligt hat. Ihre poppigen Frucht-Stillleben verbinden russische Ornamente mit den Sehgewohnheiten der Moderne. Neben Repin, dessen Abstraktionen sich in den Raum der Freiheit sehr weit vorwagen, sind Scheremetjewas Tableaus die optimistischsten Stellungnahmen. Ob Maria Matserats zart-schüchterne Blumen und Tierpastelle, Israil Potikhas transparente Landschaftsaquarelle oder das fahlgelbe Licht von Lara Chanés Städteansichten: Die „Lebenswelten“, die sich in der Villa Grenzenlos erschließen, wirken zaghaft artikuliert, in sich gekehrt, ohne den wirklichen Glauben an die Möglichkeit, im Rahmen einer Ausstellung betrachtet zu werden. Heimatlos, noch.

 

 

 Villa Grenzenlos, Potsdam

eine Ausstellung mit dem Titel BILDBRÜCKENLEBENSWELTEN